Die Stadtteilgruppe 11 (Fechenheim, Riederwald, Seckbach) der Frankfurter Grünen veranstaltet am Sonntag, den 28.1.24 von 14:00 bis 16:00 Uhr eine Putzaktion für die sogenannten Stolpersteine in Fechenheim, die an jüdische und antifaschistische Mitbürger erinnern, die während der Nazidiktatur deportiert wurden. Treffpunkt ist die Martin-Böff-Gasse 5, wo die Stolpersteine der Familie Strauss verlegt sind.
“Wir werden die Steine reinigen und über den Lebensweg dieser Person informieren. Wir finden das Gedenken an frühere jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger gerade in der aktuellen Situation sehr wichtig, um die Gefahr des Antisemitismus bzw. jeder Form der rassistischen Ausgrenzung zu verdeutlichen.” heißt es in der Veröffentlichung der Stadtteilgruppe.
Folgende Informationen sind Auszüge aus einem Artikel, den der mainkur:ier bereits zum 9. November 2021 veröffentlicht hatte:
Was sind Stolpersteine?
„Stolpersteine“ ist der Name eines Kunstprojekts des Künstlers Günter Demnig. Seit 1996 verlegt er 10 cm3 große Betonquader mit einer oben befestigten Messingplatte vor den zuletzt freiwillig gewählten Wohnorten von Menschen, die während des Nationalsozialismus verfolgt, gequält und ermordet wurden.
„Auf dem Stolperstein bekommt das Opfer seinen Namen wieder, jedes Opfer erhält einen eigenen Stein – seine Identität und sein Schicksal sind, soweit bekannt, ablesbar. Durch den Gedenkstein vor seinem Haus wird die Erinnerung an diesen Menschen in unseren Alltag geholt. Jeder persönliche Stein symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn alle eigentlich nötigen Steine kann man nicht verlegen.“ (Gunter Demnig)
Auch in Fechenheim…
…gab es in diesen Jahren Verfolgung und Vertreibung, Misshandlungen, Verhaftungen und Deportationen jüdischer Familien, aber auch politisch engagierter Menschen aus SPD und KPD. Einigen von ihnen wird mit den hier verlegten Stolpersteinen gedacht:
- Salomon, Johanna und Hedwig Strauss, Martin-Böff-Gasse 5
Die Familie Strauss betrieb in der Schäfergasse 5 (heute Martin-Böff-Gasse) ein Manufakturwarengeschäft. Während des November-Pogroms in Fechenheim wurde ihr Geschäft geplündert und zerstört und der 70-jährige Salomon Strauss schwer misshandelt und anschließend verhaftet. 2 Tage nach dem Überfall starb er – angeblich an einem Herzinfarkt.
Johanna Strauss wurde nach dem Tod Ihres Mannes gezwungen, das Geschäft aufzugeben und das Haus zu verkaufen. Zusammen mit ihrer Tochter Hedwig wurde sie am 22.11.1941 in das KZ Kauen (Kaunas, Litauen) deportiert, wo beide am 25.11.1941 ermordet wurden.
Über den Verbleib zweier weiterer Töchter der Familie Strauss ist nichts bekannt.
- Heinrich Stern, Alt-Fechenheim 89
In diesem Haus betrieb Heinrich Stern zunächst mit seinem Bruder Sally Stern seit 1908 ein Textilgeschäft („Gebrüder Stern“), bevor er sein eigenes Geschäft ab 1928 in Alt-Fechenheim 81 aufmachte. Heinrich Stern wurde schon 1934/35 Opfer von gewalttätigen antisemitischen Übergriffen. Nanny Becker berichtet in ihrem Buch „Bombenapplaus“, wie er nach einer konstruierten Anklage mit einem Schild um den Hals von Männern mit Peitschen durch die Fechenheimer Straßen gejagt wurde und der Stadtteil zusah.
Heinrich Stern wurde im Juni 1938 in das KZ Buchenwald deportiert und dort am 10.7.1938 ermordet.
- Gustav, Recha und Hertha Hahn, Alt-Fechenheim 105
Gustav Hahn war Inhaber des Schuhgeschäfts in der damaligen Langgass 105. 1938 musste er verfolgungsbedingt Haus und Geschäft verkaufen. Seine Flucht ins Exil scheiterte im selben Jahr. Er wurde zusammen mit seiner Frau Recha und seiner 19-jährigen Tochter Hertha am 19.10.1941 nach Lodz deportiert.
Das genaue Todesdatum der Familie ist unbekannt.
- Hertha, Hugo, Ilsa und Paul Schönfeld, Alt-Fechenheim 129
Die Schönfelds betrieben in Fechenheim in der Langgass 129 eine Metzgerei, die schon Hugos Vater gegründet hatte. Auf Grund der Verfolgung und staatlichen Repressionen musste die Familie den Betrieb 1937 aufgeben.
Hugo Schönfeld starb am 20.6.1941, vermutlich durch Suizid.
Der Sohn Paul Schönfeld wurde nach dem November-Pogrom vom 16. November 1938 bis zum 11. Februar 1939 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Gemeinsam mit seiner Mutter Hertha und seiner Schwester Ilsa wurde er am 11.11.1941 nach Minsk deportiert. Ihr Todesdatum ist unbekannt. Einem weiteren Bruder, Max Ernst Schönfeld gelang 1936 die Flucht in die Vereinigten Staaten.
- Georg Nebel, Lachnerstr. 4
Als aktives Mitglied der KPD wurde der Schreiner Georg Nebel schon 1933 das erste Mal inhaftiert. Er arbeitete damals in einer Schreinerei in Fechenheim. Wegen des Drucks der damals illegalen „Arbeiterzeitung“ wurde er zu 2 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt und kam hinterher bis April 1939 in „Schutzhaft“ in das KZ Dachau. Aufgrund einer Denunziation wurde er 1943 erneut verhaftet, im Juli 1944 wegen „Wehrkraftzersetzung“ und „Hochverrat“ verurteilt und am 14.8.1944 in der Haftanstalt Brandenburg/Havel-Görden hingerichtet.
- Wilhelm Ebert, Leo-Gans-Straße 21
Wilhelm Ebert war gebürtiger Fechenheimer, von Beruf Former, ab 1940 bei der „Eisen- und Stahlhandel AG“. Von 1922 bis 1933 (danach war sie verboten) war er Mitglied der SPD, aktiver Gewerkschafter und Mitglied der Freien Turnerschaft Fechenheim. Während der Nazi-Diktatur leistete er Widerstand durch Flugblattaktionen, den Vertrieb kleiner Zeitungen und Geldsammlungen für verfolgte Widerstandskämpfer. Am 15.6.1942 wurde er von der Gestapo wegen „Hochverrats“ verhaftet und ins Polizeigefängnis gebracht. Zwei Tage später starb er in einer Nervenklinik. Er habe sich in der Zelle erhängt und sei nach der Wiederbelebung in die Nervenklinik gebracht werden, wo er gestorben sei, behauptete die Gestapo.
- Eugen Weisenseel, Löhnungsgasse 19
Der ebenfalls in Fechenheim geborene Eugen Weisenseel wohnte mit seiner Frau Helene und 2 Kindern (Marga und Eugen) in der Löhnungsgasse 19, wo er einen Getränkehandel betrieb. Er war Mitglied und zeitweise Vorstand der „Turn- und Sportgemeinde Fechenheim (TSG) Fechenheim“ und Mitglied der SPD.
1943 wurde er zusammen mit 11 anderen Arbeitern der Firma „Messer“ wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Ihm wurde dreimal der Prozess gemacht, wobei er beim dritten Mal durch ein SS- Sondergericht in Wiesbaden zum Tode verurteilt wurde. Am 15. März kam er in eine Todesbaracke nach Dachau. Sein genaues Todesdatum ist unbekannt.
Dies ist nur eine kurze Zusammenfassung der Lebens- und Todesgeschichte einiger Fechenheimer Bürger, die im Naziregime ermordet wurden. Mehr Informationen gibt es auf der Stolperstein Seite der Stadt Frankfurt hier
Damit ist dieses Kapitel dann abgeschlossen? Schnee von gestern und Ruhe den Toten? Warum gerade heutzutage dieses Gedenken so wichtig ist, lesen Sie bitte in diesem Kommentar.
Quellen:
Stolpersteine Frankfurt am Main
Stolpersteine Biographien auf frankfurt.de
Nanny Becker, “Bombenapplaus”, Ulrike Helmer Verlag 2005
Bild: © mainkur:ier
1 Gedanke zu „Stolperstein-Putzaktion in Fechenheim“
Danke für deinen Kommentar schon vom November 2021, liebe Brigitte Friebertshäuser! Es gilt heute unverändert: Geschichtsvergessenheit ist brandgefährlich für unser aller Zukunft!