Ein Mensch in Gestalt einer Frau verschmilzt mit der Erde, dem Wasser, der Luft.
In den älteren Arbeiten von Waltraud Theocharis liegt sie (schlafend?, träumend? begraben?) in einer von einem unsichtbaren Mond beschienen nächtlichen Landschaft. Oder sie erscheint in den Bäumen, durchscheinend und silbrig, wie ein gefallener Engel oder abgestürzter Ikaros.
Die Gestalt ist in der Wiese, im Baum, im Flussufer – sie IST Wiese, Baum, Flussufer.
Nur am rechten oberen Rand des Triptychons der übermalten Kalenderblätter scheint sie, die Frau, sich von der dunklen Fichte ablösen zu wollen, aufrecht jetzt, vielleicht fliegend, mit einer Fackel der Freiheit im rechten Arm, den linken schon außerhalb des Bildrand irgendwo in der Zukunft.
Dort treffen wir sie wieder – verwandelt. Sie lebt jetzt zum Beispiel in den Fahnen aus zerknittertem Seidenpapier, probiert neue Haltungen aus.
Die Wiese, diesmal als Heu, ist immer noch bei ihr. Aber sie ist diesmal Zutat, nicht Essenz. Frau spielt mit ihr im Tanz und schmückt sich mit ihr.
Oder sie erscheint im Raum, wieder ganz aus Wiese gemacht. Präsent und aufmerksam sitzt sie auf einem Stein aus Ytong und wacht über ihre jüngere Schwester, die eben erst aus der Traumwelt hinüber gewachsen zu sein scheint. Ein Wiesen-Zauberball verleiht ihnen die Kraft, jetzt für sich zu stehen. Vielleicht wachsen sie in Zukunft auch noch aus der engen Ecke heraus?
Verwandlung als naturhafter Prozess ist auch das Thema einer Fotoserie, mit der Waltraud Theocharis die Veränderung einer lebensgroßen Frauenfigur aus frisch gemähtem Gras täglich dokumentierte. In den durchlaufenden Bildern verändert sich zunächst die Farbe der Wiese von frischem Grün zu Hochsommergelb, die Gestalt fällt immer mehr in sich zusammen und verliert zusehends an Form.
Schwer, hier nicht an Altern und Sterben zu denken. Doch das Ende ist aufgeschoben. Die Beobachtung konnte nicht zu Ende geführt werden, weil eine eilfertige Handwerkertruppe das Kunstobjekt im Rahmen einer Renovierung kurzerhand entsorgte.
Waltraut nimmt es gelassen und lacht: „Ich nehme es ihnen nicht übel“.
Die Ausstellung „wiesenstücke“ von Waltraud Theocharis ist noch bis zum 8. August jeden Samstag von 16:00 bis 19:00 Uhr und Sonntag von 14:00 bis 16:00 Uhr im „Kleinen Haus“, Ankergasse 2 in Fechenheim zu sehen.
Verantwortlich i.S.d.P.:
Brigitte Friebertshäuser
Am Fischwehr 3
60386 Frankfurt
kontakt@mainkurier.info
1 Gedanke zu „Geschichten von Veränderung – die Ausstellung “wiesenstücke” von Waltraud Theocharis“
Liebe Brigitte,
das ist eine sehr schöne Besprechung der Ausstellung von Waltraud Theocharis.
Du beschreibst sehr treffend die großen Themen in ihren Kunstwerken:
das Weibliche, die Natur und die Vergänglichkeit …
Liebe Grüße
Undine