Die abgegebenen Stimmen bei einer Wahl landen in einer Wahlurne. Der Duden definiert eine solche als „kastenförmiger, geschlossener [Holz]behälter mit einem schmalen Schlitz an der Oberseite zum Einwerfen des Stimmzettels bei Wahlen“. Mir fiel heute zum ersten Mal auf, dass die Wahlurne hier in Fechenheim mehr einer umfunktionierten Mülltonne mit Schlitz glich. Aber das sollte ja die Wählerinnen und Wähler eigentlich nicht abschrecken, zur Wahl zu gehen und ihre Stimme abzugeben, oder?
66 Prozent. So viele Menschen sind in Hessen am 8. Oktober zur Landtagswahl in Hessen gegangen. Haben ihren Stimmzettel in einen kastenförmigen, geschlossenen Behälter geworfen. Ein weiteres Mal ist die Wahlbeteiligung gesunken.
Ist es denn inzwischen in Deutschland so selbstverständlich, in einer Demokratie zu leben? Frei wählen zu dürfen, mitzubestimmen, gehört zu werden? Haben wirklich 34 Prozent der Wahlberechtigten in Hessen keine politische Meinung? Ist es ihnen egal, wer sie regiert? Oder haben sie das Gefühl, dass ihre Stimme sprichwörtlich „für die Tonne“ ist, also tatsächlich in einer Mülltonne landet, nichts wert ist und nicht zählt?
In Fechenheim war die Wahlbeteiligung mit 46,1%, das entspricht 3367 Stimmen, noch einmal um 20 Prozentpunkte niedriger als im Landesschnitt. Das bedeutet auch, dass es in Fechenheim mittlerweile mehr Nichtwähler als Wähler gibt.
Was sind die Gründe dafür, nicht zur Wahl zu gehen? Desinteresse? Unkenntnis? Protest?
Meiner Meinung nach ist es ein unschätzbares Privileg, in einer Demokratie zu leben, frei wählen zu dürfen, mitzubestimmen und gehört zu werden.
Keine Frage: Die Demokratie ist auch anstrengend – es sind so viele unterschiedliche Stimmen und Meinungen zu hören und auszuhalten. Viele der ausgehandelten Kompromisse sind faul, ungerecht und nicht leicht nachvollziehbar. Manchen scheint es, als agierten Politikerinnen und Politiker fernab der eigenen Lebenswelt.
Unsere Demokratie ist (noch) stabil. Aber sie muss gepflegt werden. Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie lebendig zu gestalten, dafür sind alle gefragt – Politiker:innen und Bürger:innen.
Ein türkisches Sprichwort besagt: „Ein Nagel kann ein Hufeisen retten, ein Hufeisen ein Pferd, ein Pferd einen Reiter und ein Reiter ein Land.“ Wenn ein Land wegen eines fehlenden Nagels verloren gehen kann, könnte dann nicht eine Demokratie wegen fehlender Stimmen ins Wanken geraten?
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