Am Donnerstag konnten Fechenheimerinnen und Fechenheimer die Araberstute Jenny bestaunen – allerdings nicht auf ihrer täglichen Spazierrunde im Mainbogen, sondern auf einer Leinwand bei dem vom Quartiersmanagement, der Buchhandlung Bücher vorOrt und dem Filmemacher Michael Jung veranstalteten OpenAir-Kino in Fechenheim. Und das Interesse war groß: Alle Plätze auf dem Spielplatz Konstanzer Straße/Bodenseestraße waren voll besetzt.
Mit Gitarre und Gesang stimmte der Fechenheimer Uwe Bjørknes auf den Film ein. Dazu wurde einer von mehreren aufgenommenen Spaziergängen der Araberstute gezeigt. Meist von vorne filmte Michael Jung Jenny auf ihrem Weg durch Fechenheim und den Mainbogen. Zusammen mit der akustischen Begleitung entfaltete der Spaziergang mit Jenny eine beinahe meditative Wirkung, bemerkte auch Veranstalterin Leonore Vogt vom Quartiersmanagement Fechenheim. So erzeugte der Vorfilm genau die richtige Stimmung für den Hauptfilm. Im Anschluss an den Hauptfilm zeigte Michael Jung noch eine persönliche Auswahl von Kurzfilmen, die den Abend abrundeten.
„The Walk“ – Ein Kurzfilm von Michael Jung
Der 2020 erstaufgeführte Kurz-Dokumentarfilm „The Walk“ von dem Regisseur Michael Jung portraitiert Jenny und ihren Besitzer Werner. Während Jenny am Morgen ihre Runde startet, über den Linneplatz in Richtung Main läuft, hier und da was grasend, erzählt Werner seine Geschichte. Er erzählt von seiner Kindheit, in der er früh lernen musste, selbständig zu sein, davon wie er sich als Kind in das Nashorn- und Elefantengehege des Frankfurter Zoos schlich um die Tiere zu kraulen, davon wie er nach vier Tagen aus den Trümmern eines Bombenangriffs auf Frankfurt im Zweiten Weltkrieg geborgen wurde, wo er seine Mutter und seine Geschwister verlor.
Das Erzählte und die Aufnahmen von ihm und Jenny setzen sich zu einem Bild einer Beziehung von Mensch und Tier zusammen, die von gegenseitigem Vertrauen und dem Wunsch nach Selbstbestimmung zeugt. Beibringen musste er Jenny nicht, alleine zu gehen. Er macht sich keine Sorgen, ob sie am Abend wieder heimkommt, er vertraut ihr einfach. Und jeden Abend kommt sie nach Hause.
Im anschließenden Gespräch mit Werner Weischedel und Michael Jung erzählte der ehemalige Chemiker wie er auf Jenny aufmerksam geworden ist. Auf der Suche nach einem Thema für seine Abschlussarbeit, schrieb ihn eine Freundin aus Kanada an, dass in Frankfurt ein Pferd allein durch die Stadt läuft. Er dachte, das sei ein Scherz, fand aber sofort zahlreiche Videos von Jenny im Internet. Doch er interessierte sich auch für den Besitzer eines so freien Pferdes und beschloss Werner Weischedel in Fechenheim zu besuchen. Er fand ihn mit Jenny am Main.
So wurde der Film über Jenny eben auch ein Portrait über ihren Besitzer Werner Weischedel. Über die Tiere in seinem Leben, die ihm helfen das Trauma des Zweiten Weltkriegs zu verarbeiten. Über die Freiheit und Selbstbestimmung, die er so sehr schätzt, dass er sie auch seinen Tieren geben möchte. Tierpfleger, wie es früher sein Wunsch war, ist er zwar nicht geworden, aber Tiere prägen sein Leben – ob wilde Tiere, die Pflege brauchen, Zootiere, die sich über Streicheleinheiten freuen oder seine eigenen Tiere, die frei durch Fechenheim spazieren.
Die Northern Film School in Leeds, an der Michael Jung mit „The Walk“ seinen Abschluss machte, war zunächst nicht begeistert von seiner Idee, erzählte der Bad Vilbeler. Dann hat er sie mit seinem Film aber so überzeugt, dass sie den Kurzfilm für mehrere Wettbewerbe anmeldete.
Zurück bleibt nicht nur gute Unterhaltung, sondern auch ein neues Gefühl für die Verbindung von Tier und Mensch. Was macht ein freies Pferd, wenn es dem Menschen vertraut? Es geht spazieren. Und es kommt am Abend nach Hause. So wie Jenny. Mit ihrer Geschichte geben Jenny und Werner Weischedel Fechenheimerinnen und Fechenheimern, aber auch Menschen aus der ganzen Welt, das beruhigende Gefühl, dass so etwas noch möglich ist: Vertrauen und Freiheit.
Wer an dem Abend nicht dabei sein konnte, muss den Film nicht verpassen: Die DVD gibt es in der Buchhandlung Bücher vorOrt und bei Werner Weischedel und Jenny direkt zu kaufen. Und vielleicht wird es ja noch weitere Fechenheimer Kurzfilmabende geben. Wir jedenfalls wären gerne dabei!
Fotos: Annika Bracht, Michael Jung
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2 Gedanken zu „“The Walk” – Spaziergang mit Jenny: Kurzfilmabend in Fechenheim“
Was für eine wunderbare Geschichte!
„The Walk“ zeigt Fechenheim und auch Frankfurt von einer ganz anderen Seite, und prägt ein positives Image. Ich freue mich auf die nächsten Kurzfilmabende in Fechenheim mit Filmen aus aller Welt.