Sag’ mir, wo die Frauen sind…

Die Stadt Frankfurt hat ihr auch heute schon sehr informatives Geoportal um einen weiteren Themenbereich erweitert. Wer möchte, kann sich alle Straßen, Plätze und Anlagen anzeigen lassen, die im Frankfurter Stadtgebiet nach Frauen benannt sind.

Es ist empfehlenswert, dafür eine hohe Auflösung der Karte einzustellen, denn bis auf wenige Ausnahmen wie die Rosa-Luxemburg-Straße, die Rotlintstraße im Nordend und die Sophienstraße in Bockenheim, sind die rosa Flecken verschwindend klein.

Beim Stadtteil Fechenheim nützt alle Vergrößerung allerdings nichts. Die Anzahl der weiblichen Straßennamen ist hier exakt Null.

Nachholbedarf bei allen Stadtteilen des Ortsbezirks 11

Zugegeben, auch unsere direkten Nachbarstadtteile sind diesbezüglich nicht gerade feministisch wachgeküsst, aber der Riederwald hat doch immerhin seinen Johanna-Tesch-Platz (Widerstandskämpferin, SPD Mitglied und 1945 im KZ Ravensbrück umgekommen), Seckbach hat seine Gelastraße (der Sage nach Geliebte von Kaiser Friedrich I und Gründerin von Gelnhausen) und Bergen-Enkheim seine Amaliestraße (1537, Schelmin von Bergen und Äbtissin eines Zisterzienserklosters).

Nur in Fechenheim wurde noch nie eine Frau für Wert befunden, mit ihrem Namen im Stadtbild verewigt zu werden?

Ich finde, da sollten wir alle, der Ortsbeirat voran, mal gemeinsam nachforschen, ob da nicht jemand übersehen wurde. Vielleicht kann ja auch der Heimat -und Geschichtsverein mit seinem umfangreichen Archiv ein wenig Forschungsarbeit leisten und Frauen sichtbar machen helfen, die wahrscheinlich nicht als Feldherrinnen, Gutsbesitzerinnen und Industriegründerinnen zum Gemeinwesen beigetragen haben, sondern vielleicht eher als Hebamme, Gewerkschafterin oder Lehrerin?

In der Zwischenzeit hier mal ein paar Vorschläge, an wen wir uns vielleicht erinnern wollen:

Nanny Becker: 1914 als Tochter eines jüdischen Gärtnereibesitzers in Fechenheim geboren. Ihre gerade beginnende Karriere als Sängerin wurde durch die Rassengesetze der Nazis in den 1930er Jahren und die damit verbundenen Auftrittsverbote zerstört. Sie immigrierte 1939 in die Schweiz und begann dort nach ein paar Jahren eine erfolgreiche Laufbahn als Soubrette. In den 50er Jahren kehrte sie zunächst wieder nach Frankfurt zurück und betrieb dort das Tanzlokal „20 Uhr Club“. Sie lebte seit den 70ern 20 Jahre in den USA und ließ sich dann in den 90er Jahren in der Nähe von Frankfurt nieder.

Quelle: Bonavita - Bombenapplaus
Quelle: Bonavita - Bombenapplaus

Einem größeren Publikum ist sie durch ihr 2005 in Kooperation mit Petra Bonavita veröffentlichtes Buch „Bombenapplaus. Das Leben der Nanny Becker“ bekannt geworden.

Ihre bewegende und bewegte Lebensgeschichte ist damals in Fechenheim auf großes Interesse gestoßen. Der Saal im Mainbörnchen, in dem die Autorin 2007 noch selbst gelesen hat, war brechend voll. Nanny Becker starb 2008.

Wer sagt denn, dass es eine Fechenheimerin sein muß?  Wir hätten ja vielleicht auch noch Platz für die eine oder andere berühmte Frankfurterin, die noch nirgends im Stadtgebiet gewürdigt wird:

Dorothea Schlegel: 1764 – 1839. Schriftstellerin, Literaturkritikerin und eine der wichtigsten (und wahrscheinlich wildesten) Frauen der deutschen Romantik.

Jutta Hipp: 1925 – 2003. Jazzpianistin, Malerin und Designerin. Hatte in den 50er Jahren in Frankfurt ihre eigene Band „Jutta Hipp Quintett“, in der auch Emil Mangelsdorff mitspielte. Sie arbeitete auch mit Albert Mangelsdorff und später Charles Mingus zusammen und galt als „Europe’s First Lady in Jazz“.

Liselott Linsenhoff 1927 – 1999. Dressurreiterin, Mäzenin und Unternehmerin. 1972 gewann sie als erste Frau bei der Olympiade eine Einzel-Goldmedaille im Reiten.

Alles nur so ein paar Ideen. Vielleicht haben Sie auch welche?
Dann schreiben Sie uns das gerne im Kommentar!

Bildquellen für die Collage: Wikimedia Creative Commons
Nanny Becker: Privat/ Institut für Stadtgeschichte

9 Gedanken zu „Sag’ mir, wo die Frauen sind…“

  1. Wie wärs eine Lehrerin, Frl. Thomas, durch einen Strassennamen in Fechenheim zu verewigen? Sie war die Lehrerin meiner Mutter in der Schillerschule von 1914 bis 1922 in Fechenheim.
    Allerdings weiss ich keine Daten über ihre Geburt und ihren Tod,
    Lehrerinnen haben viel geleistet in der Erziehung und Bildung der Mädchen.

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  2. Nachtrag zu Nanni Becker – Ihr Grab widerspricht Wikipedia

    Nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz hatte Nanny Becker in zweiter Ehe einen US – Amerikaner namens Butts geheiratet. 1999 trennte sie sich von ihm und von den USA, führte aber ihren Doppelnamen “Becker – Butts” dann auch in Deutschland weiter.

    Als Todesjahr der Sängerin wird in dem ihr gewidmeten Wikipedia – Artikel das Jahr 2008 angegeben (https://de.wikipedia.org/wiki/Nanny_Becker). Beigesetzt wurde sie auf dem Fechenheimer Friedhof, in der Grabstätte der Familie Max Becker. Auf dem Grabstein findet sich die Aufschrift “NANNY / BUTTS / GEB. BECKER / 1914 =2009”.

    Um diesen Grabstein (und die abweichende Angabe des Sterbejahres) selbst in Augenschein zu nehmen, muss man nicht den Fechenheimer Friedhof besuchen.
    Auf der nachfolgenden Webseite sind alle Becker’schen Grabsteine gut erkennbar fotografisch abgebildet: https://grabsteine.genealogy.net/tomb.php?cem=6372&tomb=209&b=B.

    Letztlich ist die Frage, ob Nanny Becker nun 94 oder 95 Jahre alt geworden ist, für Ihr Andenken in Fechenheim unwichtig. Vielmehr sollten wir uns daran erinnern, dass sie sich noch im hohen Alter von 93 Jahren nach Fechenheim aufgemacht hat, um aus ihrem bewegten Leben zu erzählen.

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  3. Oder vielleicht auch international denken?
    Ich wohne ja ganz gerne in einer Straße namens “Fischwehr”. Doch mir würde es auch sehr gut gefallen, in der Aretha-Franklin-Gasse zu wohnen. Über Ella Fitzgerald als Namensgeberin würde ich auch nicht meckern.

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  4. Andere Frauen, für die es in Frankfurt noch keine Strassenbenennung gibt, an die mit dem Namen einer Straße in Fechenheim erinnert werden könnte, (3):

    – Mathilde Einzig (1886-1963), berühmte Frankfurter Schauspielerin

    – Margarethe Haag (um 1720-1770), streitbare Buchbinderin in Alt-Frankfurt

    – Anna Maria Hesselbach (um 1750), Zuckerbäckerwitwe. Zum Verdruss der Frankfurter Konkurrenz verkaufte sie sehr erfolgreich „Nürnberger Lebkuchen”.

    – Else Luthmer (1880-1961), Frankfurter Malerin, Städelschülerin

    – Louise van Panhuis (1763–1844), Landschafts- und Aquarellmalerin

    – Margaretha Elisabeth Pilgeram (1752–1823), Handelsfrau, Buchbinderin und Papierhändlerin am Großen Kornmarkt in Frankfurt

    – Herta Riese (1892-1981), Ärztin und Sozialpolitikerin, gründete 1924 die Sozial- und Sexualberatungsstelle des Frankfurter Bundes für Mutterschutz, deren Leiterin sie bis 1933 war. Vorkämpferin für eine Reform des §218 StGB in Preussen. Erwirkte die kostenlose Vergabe von Empfängnisverhütungsmitteln durch die Frankfurter Ortskrankenkasse.

    – Toni Schiesser (1906-1994), Frankurter Unternehmerin und Modeschöpferin

    – Margarethe Weitz (1740-1800), Inhaberin einer Gold- und Silbertressenfabrik

    – Anna Elisabeth Zahn (1669-1757), Handwerksmeisterin, Geschäftsführerin der väterlichen Eisenhandlung Johann Andreas Zahn in der Töngesgasse 72.

    Quellen:
    http://www.frankfurterfrauenzimmer.de/biografien.html
    wikipedia: Liste der Straßennamen von Frankfurt am Main (abgefragt 25.08.2021)

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    • Vielen Dank, Herr Altrock, das ist sensationell!
      Aus der vielfältigen Auswahl wird der Ortsbeirat sicher eine mehrheitsfähige Auswahl treffen können. Meine persönlichen Favoritinnen zur Zeit sind Frau Pfungst und Frau Schultz (Vorschlag von Heike Nichau).

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  5. weitere Frauen, an die in Fechenheim mit Straßennamen erinnert werden könnte (2):

    Marie Eleonore Pfungst (1862-1943), Fabrikantin in Frankfurt und Fechenheim-Nord („Naxos-Union Schleifmittel- und Schleifmaschinen- Fabrik”). Gemeinsam mit ihrem Bruder Artur Pfungst leitete sie die Firma, und investierte ständig in soziale Zwecke. 1900 gründeten sie den neuen Frankfurter Verlag für ihre Zeitschrift „Das freie Wort – Akademie des freien Gedankens”, die von 1901 bis 1914 erschien. Weiterhin richteten sie eine Freibibliothek mit Lesehalle ein, mit dem Anliegen einer freien Bildung für ihre Arbeiter und deren Familien. 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie unter unbekannten Umständen starb.

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  6. weitere Frauen, an die in Fechenheim mit Straßennamen erinnert werden könnte:

    May von Weinberg (Ethel Mary von Weinberg, geb. Villers Forbes, 1866-1937), seit 1894 verheiratet mit Carl (von) Weinberg, kaufmännischer Direktor der Cassella – Farbwerke. Sie kam aus England nach Frankfurt, und war hier zunächst als Gartenarchitektin und Kunstsammlerin tätig. Anlässlich der Geburt ihrer ersten Tochter Wera gründete sie 1897 ein Waisenhaus in der Waldfriedstraße. In Niederrad errichtete sie mit ihrem Mann eine Kinderkrippe, in der 30 Kinder berufstätiger Eltern betreut wurden. Über viele Jahre unterstützte sie das Waisenhaus der Gemeinde in Schwanheim. Dort ließ sie ein Schwesternheim, eine Kleinkinderschule und einen Kindergartenspielplatz errichten. In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg kam sie persönlich regelmässig nach Fechenheim, um hier Armenspeisungen für bedürftige Menschen durchzuführen. Bereits vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs hatte May v. Weinberg 1913 als eine erste Hilfsaktion eine Stiftung geschaffen, die für die Beschaffung von Säuglingsmilch sorgte. Eine weitere Sofortmaßnahme dieser überaus umsichtigen und wohltätigen Frau führte 1916 zur Einrichtung einer Kriegsküche, die 360 Kinder regelmäßig mit Nahrung versorgte. Während der Zeit des Ersten Weltkriegs funktionierte sie ihre Villa in Niederrad in ein Privates Lazarett für Kriegsverletzte mit 38 Betten um, das noch bis 1921 bestanden hat.

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  7. Mein Vorschlag:
    Elisabeth Schultz, Pflanzenmalerin, lebte im 19. Jhd., war auch Zeichenlehrerin und das erste weibliche Mitglied der Naturforschenden Senckenbergischen Gesellschaft,
    ihr Werk “Frankfurter Flora” umfasst ca. 1300 verschiedene Pflanzen.

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