Nachbarschaft in der Krise

Seit die Corona-Pandemie begonnen hat war das Beste, was wir für unsere Mitmenschen tun konnten, uns voneinander fernzuhalten: Kontaktbeschränkungen im realen Leben, Versuche Kontakte zu pflegen über den Bildschirm. In den letzten anderthalb Jahren fand ein Großteil unserer Kontakte so im digitalen Raum statt – dafür quer durch Deutschland und die Welt.

Hilfe und Unterstützung vor Ort

Die Flutkatastrophe im Juli in NRW und Rheinland-Pfalz lehrt uns etwas anderes als die Corona-Pandemie. Sie zeigt uns eine ganz andere Form der Solidarität – die unmittelbare, ganz physische Nachbarschaft. Sie ist es, die in der größten Not hilft, die Trümmer aufzuräumen und den Schlamm beiseite zu schaffen, die Trost spendet und das Leid gemeinsam trägt – teilweise schneller als institutionelle Hilfe. Digitale Netzwerke versagen, wo wir wieder ganz physisch mit unserem unmittelbaren Lebensraum betroffen sind. Und auch Wochen danach: Während die mediale und landesweite Aufmerksamkeit allmählich verebbt, sind es die Nachbarn, die bleiben und weiter mit aufräumen und aufbauen.

Bei den erwartbar häufiger werdenden klimabedingten Ereignissen Grund genug, sich mal wieder auf die unmittelbare Nachbarschaft zu besinnen. Aber es gibt noch mehr.

Nachbarschaft ist mehr als eine Wohnadresse

Als ich in diesem Jahr (mitten in der Corona-Pandemie) neu nach Fechenheim gezogen bin, habe ich diesen Stadtteil zunächst nur funktional kennengelernt: Wie komme ich von A nach B, wo kann ich einkaufen gehen, wo kann ich spazieren gehen, wo vielleicht etwas Essen gehen (wenn Corona das wieder zulässt). So wird Nachbarschaft häufig in Großstädten gelebt.

Dass ich diesen Stadtteil aber mit anderen Menschen bewohne, die Fechenheim ihre Heimat nennen und sich in diesem Stadtteil einbringen und für andere engagieren, dass dieser Platz und jenes Haus eine Geschichte haben, dass der Mainbogen nicht einfach nur ein netter Ort für einen Spaziergang ist, sondern die Heimat verschiedenster Tiere und Pflanzen (inklusive einer weißen Araberstute) – das sind Dinge, die diesem Ort eine Tiefe geben, an der wir im Alltag oft vorbeileben. All das kennenzulernen, lässt mich erst richtig in Fechenheim ankommen.

Der mainkur:ier ist nicht nur für mich als Redakteurin, sondern für jede Fechenheimerin und jeden Fechenheimer, eine Einladung, wieder genauer hinzuschauen und die unmittelbare Nachbarschaft kennenzulernen, sich zu vernetzen und Wege zu finden, mitzugestalten. Erstmal digital und dann hoffentlich auch ganz real in der Nachbarschaft.

Hier finden Sie die vorhergenden Editorials:

100 Tage online (Juli 2021)
In eigener Sache (März 2021)