Seine Gedichte greifen oft Banales aus dem Alltag auf und machen daraus etwas Besonderes. Es werden aber auch schon mal gesellschaftskritische heiße Eisen angepackt. Hans Berghammer sagt und schreibt, was er denkt. Unverstellt. Echt. Und doch führt er seine Zuhörer gerne mal aufs Glatteis und überrascht mit unvorhersehbaren Pointen, über die das Publikum lacht. Dann geht dem 71-Jährigen das Herz auf. Als Heranwachsender durfte er nicht schreiben. Wenn ihn sein Stiefvater dabei erwischte, setzte es Prügel. Doch Hans, der seit 1998 in Fechenheim lebt, hat sich davon nicht unterkriegen lassen und ist seinem Weg gefolgt.
Hans und ich treffen uns auf einen Eisbecher auf der „Langgass‘“. Anstatt dass ich ihm eine Frage stelle, fragt er mich in seinem sympathischen bayerischen Dialekt: „Weißt Du, dass ich erst seit zehn Jahren Berghammer heiße?“ Ich schüttle den Kopf und lasse ihn erzählen. Von seinem Stiefvater, dessen Namen er tragen musste. Kirmeier. Die Kindheit muss schlimm gewesen sein. „Nichts war erlaubt. Ich sollte nur lernen und funktionieren. Aber das Lernen fiel mir schwer“, blickt Hans zurück. Er begann schon früh, zu schreiben. Denn dabei war ja im Vergleich zu den rigiden Strukturen, die der Stiefvater ihm einzuprügeln versuchte, alles möglich. Wortspielereien, dahinfantasieren – es war eine Art Flucht vor der Realität. „Ich habe heimlich geschrieben und danach alles weggeschmissen, damit mein Stiefvater das Geschriebene nicht findet“, beschreibt er die Situation. Seine Großmutter gab ihm in der schwierigen Zeit Halt. Mit ihr und dem Großvater väterlicherseits habe es auch schöne Zeiten gegeben, erinnert er sich. Doch die vielen Schläge haben sich ihm bis heute eingebrannt.
Als Hans 16 war zog die Familie von München nach Unterhaching, zwei Jahre später starb der Stiefvater. „Dann habe ich Gas gegeben. Ich habe rebelliert und alles gemacht, was ich vorher nie gedurft hatte“, sagt er. Nach der Bundeswehr hatte er wechselnde Gelegenheitsjobs, holte aber schließlich die Gesellenprüfung zum Bau- und Kunstschlosser nach und lernte seine spätere erste Frau kennen. „Sie ermunterte mich, weiterzuschreiben.“ So kamen Gedichte in Münchner Mundart zusammen, die er mit großem Spaß in Münchner Seniorentreffs vortrug.
1987 zog er mit seiner Familie nach Köln. „Da habe ich angefangen, in meiner zweiten Fremdsprache zu schreiben: Hochdeutsch. Es war am Anfang etwas holprig“, sagt er und lacht. Doch dann kommen wieder dunklere Zeiten zur Sprache. Wie er bis 1994 getrunken hat. „Das war übelster Alkoholmissbrauch“, stellt er nüchtern fest. Dennoch machte er in dieser Zeit an der Abendschule seinen Meister und ließ sich zum Schweißfachmann ausbilden. „Ich habe Prüfungen abgelegt, gearbeitet und gesoffen. Ich kam mit zwei Stunden Schlaf aus. Es ist mir selbst ein Rätsel, wie ich das geschafft habe“, gibt er zu. Es folgte eine langwierige Krankheit, nach der er nicht mehr in seinem Beruf als Schlossermeister weiterarbeiten konnte. Auch seine Ehe war gescheitert. „Ich habe viel Mist gebaut und meine Frau hat keine Zukunft mehr für uns gesehen“, erzählt er. Hans war zu der Zeit 47 Jahre jung. „Frühverrenten kam für mich nicht in Frage.“ Er spezialisierte sich auf Arbeiten im Behindertenbereich und fing, nachdem er 1998 von Mörfelden-Walldorf nach Frankfurt gezogen war, bei den Praunheimer Werkstätten an der Wächtersbacher Straße an.
„Fechenheim hat mir von Anfang an gefallen“, sagt er, „der dörfliche Charakter und vor allem die Nähe zum Fluss. Ich bin an der Isar aufgewachsen und in Köln habe ich am Rhein gelebt.“ In der Fechenheimer Behinderteneinrichtung lernt er Judith kennen. Er kommt ins Schwärmen, wenn er von ihr erzählt. „Sie war eine tolle Anleiterin, hat immer korrigiert, nie kritisiert.“ Nach dem Tod des damaligen Leiters der Schlosserei übernahm Hans dessen Posten. Er führte die Schlosserei 14 Jahre lang. Und zwischen Judith und ihm hatte es gleich gefunkt, sodass die beiden schon 1999 heirateten. „2012 haben wir uns scheiden lassen“, sagt Hans übergangslos und ich verschlucke mich fast an meinem Eiskaffee. Er grinst. Soviel zum Setzen von Pointen. „In dem Jahr ist meine Mutter gestorben und ich wollte nicht mehr Kirmeier heißen und an meinen Stiefvater erinnert werden. Ich wollte den Mädchennamen meiner Mutter annehmen, aber das war aufgrund von Behördensturheit nicht so einfach.“ Vor allem wäre für Judith nur ein Doppelname in Frage gekommen, der beiden nicht gefiel. Also habe man sich zugunsten der Namensänderung eben scheiden lassen. Den Gefühlen füreinander hat das keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. „Ich liebe sie mit jedem Tag mehr“, sagt Hans. „Sie ist das Beste, das mir je passiert ist.“ Zum 70. Geburtstag vergangenes Jahr habe sie ihm ein leeres Buch geschenkt und ihn gebeten, es mit Gedichten zu füllen. „Aber in Münchner Mundart. Sie hat gesagt: Du kannst gut deutsch schreiben, aber das in Bayerisch, das bist du!“
Rund 1000 Gedichte, davon 300 in Münchner Mundart – gereimt und in Prosa – hat Hans bisher verfasst. Veröffentlicht hat er sie nicht, außer in kleinen, selbst hergestellten Büchlein, die er manchmal verteilt. „Bücher stehen die meiste Zeit im Regal und verstauben. Bei Lesungen erreiche ich diejenigen, die erreicht werden wollen. In Lesungen finde ich Erfüllung“, sagt er. Er liebt außerdem die Anspannung: Wenn er nicht weiß, wie das Publikum reagieren wird. „Was gut ankommt, sind Offenheit und Ehrlichkeit und auch die Banalität der Gedichte sowie das Gesellschafts- und Sozialkritische“, fasst er zusammen. Vieles lasse er offen, sodass sich die Zuhörer selbst ein Bild machen können. „Sie müssen nicht denselben Schluss daraus ziehen wie ich“, erklärt er. Er reiße oft Dinge an und springe dann weiter, er will nichts vorgeben, sondern zum Nachdenken anregen.
Alles, was ihm im Leben begegnet, saugt er auf. Block und Stift hat er immer dabei, wenn er unterwegs ist. „Eigentlich will ich mit meinen Gedichten nur ausdrücken: Habt eine schöne Zeit! Manchmal muss man die Leute daran erinnern, wie gut es ihnen eigentlich geht. Und andererseits sitzen wir in der Sonne und essen Eis, während auf der Welt Menschen in Kriegen sterben“, sagt er nachdenklich und fügt hinzu, dass ihn die Arbeit mit Behinderten – die er nicht als behindert betrachte – vieles gelehrt hat. „Über meine schlimme Kindheit will ich nicht jammern, denn alles hat seinen Sinn. Egal, was man erlebt, seine Entscheidungen trifft man selbst.“ Ehrlich mit sich umgehen, auch mit den nicht so schönen Kapiteln des Lebens, gehört für Hans dazu. „Und dass ich schreiben und Lesungen halten kann, ist ein großes Geschenk“, sagt er und lehnt sich glücklich im Stuhl des Eiscafés zurück.
Wer Gedichte von Hans kennenlernen möchte, findet hier eine kleine Auswahl. Wer eine Lesung mit ihm veranstalten möchte, kann unter hans.berghammer.wortmaler@web.de zu ihm Kontakt aufnehmen.
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1 Gedanke zu „Hans Berghammer: Dichter mit bajuwarischen Wurzeln“
Ich kenne Hans persönlich und bin stolz ihn einen Freund zu heißen. Aus dem persönlichen Umgang mit ihm, weiß ich, dass Hans es nicht nur vermag mit Worten zu malen, sondern auch mit seiner Mimik, Gestik, der Körpersprache ja sogar nur mit einem Blick. Ein wirklich herzlicher und anständiger Mensch! Seinen Gedichtbände hab ich auch gekauft, wirklich der HAMMER.