Karin Ruf

Fechenheim hat eine gute Ruf

Da überprüfe ich routinemäßig den Pressenewsletter der Stadt Frankfurt darauf, ob es relevante Meldungen für Fechenheim gibt, und stolpere plötzlich unter der Überschrift „Neuer Fahrgastbeirat nimmt Arbeit auf – Wahl des Sprecherteams“ über den Namen: Karin Vahlberg-Ruf wurde zum zweiten Mal zu einer von drei Sprecher:innen der Nahverkehrsgesellschaft traffiq gewählt.

Ist das nicht die Karin Ruf, die in der evangelischen Kirchengemeinde und der Ökumenegruppe in Fechenheim so aktiv ist? Oder die, der ich schon vor ein paar Jahren bei den Bildungspaten über den Weg gelaufen bin? Oder etwa die, die auf Facebook immer mal wieder fürs Radfahren wirbt? Persönlich sind wir uns noch nicht begegnet, aber jetzt bin ich neugierig geworden, auf die ganze Frau, nicht nur die Sprecherin des Fahrgastbeirats. Wir treffen uns im Garten.

Vom Dorf im Saarland ins Dorf in Frankfurt

Kein Wunder, dass sich Karin Ruf im „dörflichen“ Fechenheim so wohl fühlt. Sie ist zwar gebürtige Frankfurterin, siedelte aber schon im Alter von zwei Monaten mit ihren Eltern ins Saarland über, aufs Dorf. In diesem ländlichen Umfeld war es vor allem die Kirchengemeinde, die den Kindern und Jugendlichen einen Anlaufpunkt und Gemeinschaft bot, und dort liegen auch die Wurzeln für ihr Engagement heute. „Es war ein soziales und fürsorgliches Miteinander, es gab Wärme und Geborgenheit. Wir hatten Ansprechpartner in der Gemeinde und für ein Mädchen war es die Möglichkeit, in einem geschützten Raum allein auszugehen“. Ganz natürlich wuchsen die Jugendlichen dann auch in eine Betreuerrolle hinein. „Wir haben Wochenendfreizeiten für die Jüngeren organisiert. Ich glaube, damals habe ich mich daran gewöhnt, mich um andere zu kümmern.“

Als Karin dann 1979 für ihre Ausbildung zur Bankkauffrau wieder nach Frankfurt zurückkehrte, wurde sie von ihren Freunden gewarnt: „Die Stadt ist doch viel zu gefährlich“. Sie arbeitete bei der Bank und an der Börse, heiratete und bekam ein Kind.

Später, als sie mit ihrem Mann in Fechenheim 1983 eine Wohnung bezog, hieß es schon wieder im Bekanntenkreis: „Wie, du lebst in Fechenheim, das macht man doch nicht!“ „Man kämpft mit vielen Vorurteilen, wenn man in Fechenheim wohnt“, seufzt sie, gibt aber zu, dass sie selbst welche hatte, bevor sie den Stadtteil besser kennengelernt hat. „Es gibt hier sehr gute, funktionierende Netzwerke von Menschen, die sich engagieren, mehr als anderswo in Frankfurt“.

Auf Augenhöhe

Sie fing während der Elternphase an, sich genauer in der Nachbarschaft umzuschauen und es war wieder die Kirchengemeinde, in der sie zuerst aktiv wurde: im Kindergottesdienst-Team, später im Kirchenvorstand und heute bei der Gestaltung des Gemeindebriefs und in der Ökumene-Gruppe. Seit 2013 ist sie, mit Ausnahme einer zweijährigen, gesundheitlich bedingten Pause, bei den Bildungspaten aktiv. „Da bin ich voll ins kalte Wasser gesprungen. Ich habe mich auf eine Zeitungsanzeige hin gemeldet und ein paar Tage später saß ich schon mit zwei Geschwistern zusammen, die kein Wort Deutsch oder Englisch sprechen konnten.“ Das habe aber mit viel Flexibilität doch ganz gut geklappt und bis heute findet Karin die Arbeit mit Kindern aus anderen Kulturen faszinierend. „Wie sieht unsere Welt aus der Sicht von Menschen aus, die ganz andere Erfahrungen gemacht haben?“

Auch sonst arbeitet sie gerne mit Kindern, zum Beispiel beim Eltern-Kind-Turnen für 1-3-jährige bei der TG Bornheim. „Man muss auf Augenhöhe mit den Kindern sein und das meine ich wörtlich. Ich beuge mich dann zu ihnen auf den Boden herunter.“

© traffiQ, Ingmar Kurth, von re n. li.: Kristina Schaal, Kai Werner, Karin Ruf

Anwältin für den Nahverkehr

Und weil das alles neben der Berufstätigkeit in einer Versicherung noch nicht gereicht hat, hat sich Karin Ruf vor ein paar Jahren nach einem Zeitungsbericht um die Teilnahme am Fahrgastbeirat der Verkehrsgesellschaft traffiq beworben und ist soeben in der Sprecherinnenrolle, die sie seit 2018 innehat, bestätigt worden. Der Fahrgastbeirat vertritt die Interessen der Nutzer und Nutzerinnen des öffentlichen Nahverkehrs und versteht sich als Bindeglied zu den Verkehrsgesellschaften. Die 22 Mitglieder setzen sich aus unterschiedlichen Berufs- und Altersgruppen und Interessenvertretungen zusammen (z.B. VCD, Pro Bahn, Stadtelternbeirat, Frankfurter Behindertenarbeitsgemeinschaft u.a.), sammeln Vorschläge für die Verbesserung des ÖPNV und machen auf Missstände aufmerksam. „Wir konnten zum Beispiel erreichen, dass die Buslinie 30 weiterhin bis zur Sachsenhäuser Warte durchfährt und Fahrgäste nicht an der Friedberger Warte in die Straßenbahnlinie 18 umsteigen müssen“, erklärt Karin, „und demnächst testen wir den ersten Wasserstoffbus in Frankfurt – aus der Perspektive der Fahrgäste, nicht des Fahrers“, schmunzelt sie.

Wir diskutieren kurz über die Möglichkeit eines Alkoholverbots in Bussen und Bahnen. In der Linie 11 kommt es doch hin und wieder zu unangenehmen Begegnungen mit Betrunkenen. „Im Prinzip wäre das gut, aber wer will das kontrollieren?“, meint sie nachdenklich.

Für andere da sein

Woher nimmt sie ihre Energie für ihren vielen Aktivitäten, was motiviert sie, will ich wissen. „Ich bin kein Mensch, der gern zu Hause sitzt“, lacht sie. „Ich probiere gerne neue Dinge aus, auch wenn ich erst mal denke, dass ich das nicht kann. Man muss sich einfach trauen.“ Ziemlich selbstverständlich geht sie mit neuen Medien, wie sozialen Netzwerken, Gruppenchats und diversen Apps um, weil sie findet, dass sie die Kommunikation erleichtern. Eine treibende Kraft für sie ist das Bedürfnis, für andere Menschen da zu sein, sich zu kümmern. „Angesichts des großen Elends so vieler Menschen auf der Welt empfinde ich eine große Dankbarkeit dafür, dass es mir im Vergleich doch so gut geht. Davon will ich etwas zurückgeben“.

Nach zwei Stunden lebhaften und spannenden Erzählens, bei dem ich mit dem Mitschreiben manchmal nicht mehr hinterherkam, gab es nur einen Satz von Karin Ruf, den ich nicht so ganz glauben wollte: „Ich war früher einmal schüchtern!“ Wirklich????

1 Gedanke zu „Fechenheim hat eine gute Ruf“

  1. Liebe Karin, schön von Dir auf diese Weise zu hören – und vieles zu erfahren, was Dich so umtreibt. Großen Dank für deine vielen Engagements, so bleibt Gesellschaft lebendig. Viele Grüße von Deinem Ex-Kollegen bei den Bildungspaten Joachim aus dem hohen, nein flachen Norden.

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